Schulschluss – großes Aufatmen für viele Kinder, Eltern und Lehrer*innen! Die Schule ist eine Organisation mit eigenen Werten und Prinzipien, die Einfluss auf den „Outcome“ der Schüler*innen haben – ganz ähnlich wie in einem Unternehmen.
Warum sehnen sich so viele Schüler*innen danach, die Schulzeit endlich hinter sich zu bringen, wo doch das Lernen in der Natur der Kinder liegt und eigentlich Spaß machen sollte?
Der Hirnforscher Gerald Hüther meinte in einem ORF-Interview, dass 98% aller Kinder hochbegabt zur Welt kommen und dass es nach der Schule nur noch 2% sind. Er sagte auch, dass die Freude am Lernen den Kindern angeboren ist, jedoch in unseren Schulen die Gefahr lauert, dass den Schülerinnen und Schülern die Lust am Lernen verloren geht, sie nur noch funktionieren und nur für gute Noten arbeiten.
Einfluss und Prägung der Kinder durch ihr soziales Umfeld
Am stärksten werden Kinder von ihren Eltern beeinflusst, was auch viel mit deren Einstellung und Haltung zu tun hat: Kann ich mein Kind „sein“ lassen? Darf es in seinem eigenen Tempo lernen und die Welt erforschen? Kann ich mein Kind unterstützen, wenn es Hilfe benötigt? Wir Eltern lernen ständig, und mit unseren Kindern haben wir ein riesiges Lernfeld, das nie endet. Kleinkinder haben einen unglaublichen Forschungs- und Lerndrang, der sich mit der Zeit verändert, aber dennoch nie wirklich erlischt.
Nicht nur Eltern, sondern auch der Rest der Familie und Freunde prägen und beeinflussen die Erfahrungen von Kindern. Neben der Schule übt das gesamte soziale Umfeld Einfluss auf das Kind aus und prägt dieses sehr stark. Der Einfluss des sozialen Umfelds auf die Lernfreude ist nicht zu unterschätzen.
Einerseits ist das Kind als Individuum einzigartig, gleichzeitig kommt bereits jedes Kind mit unterschiedlichen Prägungen und Erfahrungen in die Schule. Das zu analysieren und zu beachten stellt Lehrer*innen sicher vor eine große Herausforderung, insbesondere wenn man beachtet, dass in den meisten Schulen durchschnittlich 25 Schüler*innen in der Klasse sitzen.
Doch warum lernen Schüler*innen oft nur für gute Noten und haben den Spaß am Lernen verloren, auch wenn gerade jetzt, nach der Zeit des Lockdowns, eine Reihe von Kindern sich durchaus auch wieder auf die Schule und das gemeinsame Lernen gefreut haben?
Es beginnt mit dem Menschenbild
Frederic Laloux, Berater und Coach für Führungskräfte und Autor des Buches „Reinventing Organizations – Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit“, sieht die meisten Schulen noch immer als traditionelle Organisationen mit einer klaren Hierarchie, vergleichbar mit traditionell organisierten Unternehmen, in denen das Denken „oben“ geschieht und das Tun „unten“ umgesetzt wird.
Mit dieser tayloristischen Weltsicht geht die Einstellung und Haltung einher, dass Menschen meist faul und unehrlich sind, klare Vorgaben/Ansagen brauchen und kontrolliert werden müssen. Wichtig sind Noten als Kontrollinstrument. So haben es Lehrer auch in ihrer Schulzeit erlebt und auch im Studium teilweise nichts anderes erfahren.
Es stellt sich nun die Frage: Welches Bild haben Lehrkräfte von ihren Schülern? Wie handeln Lehrkräfte aus ihrem Weltbild heraus? Sehen sie ein Kind mit all seiner Einzigartigkeit und seinen persönlichen Stärken oder haben sie ein Bild vom faulen Schüler*in, der nicht will und nichts leistet? Geht es um Wissen, Lernstoff oder um Erfahrungen und Handlungsfähigkeit, um Anwendbarkeit und Verwendbarkeit? Es geht um Lernen lernen!
Kinder sind von Grund auf loyal, ihren Eltern und auch ihren Lehrer*innen gegenüber. Sie versuchen, immer das zu erfüllen, was von ihnen erwartet wird: Sieht man die Kinder als einzigartige, intelligente Wesen, die grundsätzlich „wollen“, z. Zt. aber aus irgendwelchen Gründen nicht können, werden sie versuchen, diese Erwartungshaltung zu erfüllen und werden ihr Bestes geben. Sieht man Kinder als „faule“ Wesen, werden sie unterbewusst alles daran setzen, auch das zu erfüllen.
Abholen, wo sie stehen
Die Kunst liegt darin, die Kinder dort abzuholen, wo sie gerade stehen – kein einfaches Unterfangen, stellt man sich einen pubertierenden Jugendlichen vor, der zunächst bei allem ständig „anti“ ist, alles in Frage stellt und zwischendurch einfach nur mit dem Kopf durch die Wand möchte.
Pubertierende Schüler*innen sehnen sich trotz „Kratzbürstigkeit“ verstärkt nach Wertschätzung, Anerkennung und vor allem Zugehörigkeit, auch nach Neuem und Lernen. Da gibt es die coolen Lehrer*innen, die jeder aus der eigenen Schulzeit kennt, die die Schüler*innen in dieser schwierigen Phase einfach ganz locker nehmen und sie gut führen können. Auf der anderen Seite gibt es Lehrkräfte, die mit diesen Situationen völlig überfordert sind.
Die „Coolen“ schaffen es, ganz klar zwischen Person und Verhalten zu trennen. Sie können „Ja“-sagen zur Person und „Nein“ zum Verhalten. „Philipp, du bist eine tolle Person mit vielen Stärken! Das Verhalten, das du gestern an den Tag gelegt hast, akzeptiere ich nicht!“
In einem nächsten Schritt sollte man hinterfragen, wie es zu diesem Verhalten gekommen ist: Welche Bedürfnisse wurden nicht erfüllt, die dieses Verhalten ausgelöst haben?
Wichtig ist, dass der/die Schüler*in auch die Erwartungshaltung der Lehrer*in kennt. Wie auch in Unternehmen, wird in Schulen oft davon ausgegangen, dass das Gegenüber die eigene Erwartungshaltung kennt, deshalb wird diese auch nicht kommuniziert.
Klarheit zu haben, was erwartet wird, wozu das Ganze dient und warum das wichtig ist, sind wesentliche Elemente, die eine Lehrkraft mehrfach kommunizieren sollte. Transparenz schafft Sicherheit! Für Kinder und Jugendliche ist es besonders wichtig zu wissen, wie ihr Rahmen aussieht und wo ihre Grenzen sind. Ebenso wichtig ist die Vermittlung von Sinn und Zweck, der hinter der Schule, dem Lernen/Thema/Inhalt steckt und der für Schüler*innen oft schwer zu erkennen ist.
Das große Thema der Motivation – sie wollen ja, wissen aber nicht wie
Möchte man als Lehrkraft am Ende des Schuljahres die Kinder zum „Endspurt“ motivieren, dann gibt es auch hier unterschiedliche Zugänge:
Einerseits gibt es immer noch viele Lehrkräfte, die versuchen, Kinder durch Angst, Strafe oder schlechte Noten zu bewegen. Da fallen dann Sätze wie, „Wenn du das nicht machst, dann wirst du die schlechtere Note bekommen“ oder „Du willst ja durchkommen“.
Bei einigen Kindern funktioniert diese „Einschüchterungstaktik“, auch wenn sie dadurch keinen Spaß und Freude am Lernen entwickeln und sie auch nicht in ihrem Selbstvertrauen gestärkt werden. Bei vielen Kindern wird durch den Aufbau von Angst und Druck Gegendruck erzeugt und das Kind wird völlig demotiviert, im schlimmsten Fall schmeißt es die Nerven und gibt komplett auf.
Die anderen Lehrkräfte wählen einen positiven Zugang und referenzieren auf die Stärken der Kinder, mit dem Wissen im Hinterkopf, dass Kinder sich grundsätzlich nach Wertschätzung sehnen und gute Leistungen erbringen möchten. Sie vermitteln eine Strategie, um die letzten Hürden zu überwinden.
Eine Strategie beschreibt in Unternehmen, wie in der Schule den Weg zum Ziel auf Basis der persönlichen Stärken der Beteiligten. Diese Fragen können unterstützen:
- Was ist mein Ziel?
- Wo stehe ich jetzt?
- Was sind die größten Hindernisse?
- Wie komme ich zum Ziel?
- Welche persönlichen Stärken kann ich einsetzen, um dorthin zu gelangen?
Segel setzen – volle Kraft voraus!
„Wickie und die starken Männer“ wurden auf ihren Reisen und Abenteuern mit vielen neuen, ungewissen Situationen konfrontiert. Wickie hatte immer „die Idee“, aber vor allem hatte er eines – viel Selbstbewusstsein! Selbstbewusstsein ist die Voraussetzung für Mut, Gewagtes, Neues und Kreatives. Die Zeiten werden schneller, die Komplexität steigt und die Herausforderung wird sein, sich schnell an neue Gegebenheiten anpassen zu können.
Kinder wie Mitarbeiter*innen werden morgen neue Kompetenzen benötigen, um den zukünftigen Anforderungen gerecht werden zu können. Dazu brauchen sie vor allem eines – Selbstvertrauen!
Selbstvertrauen ist der Kompass, mit dem sie sich durch die neuen Situationen navigieren werden und neue Herausforderungen gut meistern können.
Sie in diese Zukunft zu begleiten, um sie darin zu unterstützen, selbständige, eigenverantwortliche Personen zu werden, ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben, die sich allen Eltern; Lehrer*innen und, später im Arbeitsleben, auch Führungskräften stellt. Dazu braucht es vor allem die Vermittlung von Sinnorientierung und die Fähigkeit, sie in ihren Stärken zu stärken.
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