In dieser Case Study betrachten wir ein Dienstleistungsunternehmen, das international tätig ist, und deren Mitarbeitende an mehreren Standorten in Europa und Amerika verteilt arbeiten. Zum Teil hat das Unternehmen Büros, wie zum Beispiel in Frankfurt, an manchen Standorten nutzen die Mitarbeitenden einen Co-Working Space oder arbeiten aus dem Homeoffice.
Alle Mitarbeitenden, von den Führungskräften beginnend bis zu den direkt mit dem Kunden arbeitenden Expert*innen, dürfen selbst entscheiden, ob sie lieber an einem „fixen“ Standort oder von zu Hause aus arbeiten wollen. Hat das Unternehmen am Wohnort der Mitarbeitenden keinen Firmensitz, kann sich der/die Mitarbeiter*in auf Kosten des Unternehmens in einen Co-Working Space einmieten.
Die Organisation hat insgesamt eine eher flache Hierarchie. Die Experti*nnen sind zu Teams zusammengefasst, die von jeweils einem Teamlead geführt werden. Die Teamleads berichten an die jeweiligen Department Heads und darüber gibt es noch eine Geschäftsführung, bestehend aus einem CEO und zwei weiteren C-Level Manager*innen.
Die gesamte Organisation ist so aufgebaut, dass vorwiegend remote gearbeitet wird – auch mit Kunden. Für die Mitarbeitenden, die aus klassischen Organisationen kamen, war das eine große Umstellung, andererseits lernten sie auch schnell die Freiräume zu schätzen.
Was bedeutet das nun für die Führungskräfte?
Das Unternehmen hat sich selbst auf die Fahnen geschrieben, „modern“ arbeiten zu wollen und fördert die Selbstorganisationsfähigkeit der Teams und jedes einzelnen Mitarbeitenden durch Schulungen, Communities of pracitise bzw. einem Mentoring-Programm, in dem junge Mitarbeitende von älteren betreut werden.
Die Teamleads sind dafür zuständig, dass die jeweiligen Teams möglichst störungsfrei arbeiten können. Sie nehmen einerseits eine Moderator*innen-Rolle ein, wenn es darum geht, Schwierigkeiten zu anderen Teams zu beheben, bzw. wenn es in Kundenteams ein Problem gibt, als erste „Eskalationsstelle“ für Anliegen der Kund*innen zu fungieren.
Die Department Heads haben vor allem die Funktion, sicherzustellen, dass die gemeinsam beschlossene Strategie im jeweiligen Bereich umgesetzt wird. Sie arbeiten eng mit den Teamleads zusammen, um zu hören, ob die gesetzten Ziele auch erreichbar sind. Wenn notwendig, unterstützen die Department Heads auch einzelne Teams und deren Leader direkt.
Die Geschäftsführung managt das Business als Ganzes, betreibt die Expansion und verfolgt die strategischen Ziele in enger Abstimmung mit den Department Heads.
… und das Ganze remote …
Das bedeutet, alle Mitarbeitenden sind mit einem Laptop mit Kamera ausgestattet sowie mit einem Headset bzw. einem Tischmikro, das bei Bedarf dazugeschaltet werden kann. Die gesamte Organisation bewegt sich mit Office365 in der „Microsoft-Welt“ und nutzt daher Teams zur Remote Kommunikation. Jedes Team hat sich die Kollaborationstools ausgesucht, die nötig sind, um seinen Job machen zu können. Dazu zählen virtuelle Whiteboards, sowie die komplette SharePoint-Landschaft, die Microsoft anbietet.
Die technischen Voraussetzungen allein reichen nicht …
Jedes Team hat im Rahmen eines Teambuilding-Prozesses gemeinsam mit dem Teamlead definiert, wie sie die Zusammenarbeit organisieren. Dazu zählen: morgendliche Meetings zur Abstimmung von 09:00 – 09:15, wo jede/r kurz berichtet, an welchen Themen er/sie gerade arbeitet, und wo von anderen aus dem Team oder vom Teamlead Unterstützung benötigt wird. Diese Dailys finden auch statt, wenn der Teamlead nicht dabei ist.
In einem Weekly, das selten länger als 1,5 Stunden dauert, wird die Woche reflektiert und die nächste Woche gemeinsam geplant. Das Ganze passiert auf einem elektronischen KANBAN – Board, auf dem jedes Teammitglied seine anstehenden Aufgaben sich selbst zuweist, und sich so viele Aufgaben „zieht“, die es in der Woche unterbringt.
Der Teamlead moderiert den Prozess und reflektiert auch jede Woche mit dem Team, ob sich die Performance des Teams im Vergleich zur Vorwoche insgesamt erhöht oder verringert hat. Diese Moderator*innenrolle übernimmt, falls der Teamlead nicht verfügbar ist, rollierend jeweils ein Teammitglied.
Zusätzlich haben die Teamleads und auch die Head of Departments jeweils mit ihren Mitarbeitenden einmal pro Woche einen persönlichen Termin, in dem alle Themen auf den Tisch kommen, die für beide Personen relevant sind. Braucht es danach einen weiteren Termin, um Themen, wo vielleicht auch mehrere Personen involviert sind, abzuhalten, wird dieser vereinbart.
Untereinander haben sich die Teams als Spielregel vereinbart, dass jeder und jede darauf achtet, den eigenen Status auf „anwesend“ gesetzt zu haben, wenn man nicht gerade in einem Call ist. Es gilt die Aufforderung an alle, auch für kurze Abklärungen die Kolleg*innen aktiv zu kontaktieren. Wenn man nicht sicher ist, ob die Person verfügbar ist, vorab mit einer Nachricht über den Chat.
Einmal pro Quartal findet ein All Hands Meeting statt, wo die Geschäftsführung alle Mitarbeitenden einlädt und Bericht erstattet. Mindestens 1 x jährlich (zumeist 2x) findet an den Standorten ein Event statt, wo die Kollegenschaft auch persönlich zusammenkommt.
Funktioniert das?
Laut den Führungskräften ja, auch seitens der Mitarbeitenden wird diese Form der Zusammenarbeit geschätzt. Schwierig wird es, wenn im Team Konflikte auftreten, und diese nicht sehr rasch bearbeitet werden.
Die meisten Teams haben gelernt, dass sie Unstimmigkeiten beim nächsten One on One „einkippen“, wenn sie diese selbst nicht bereinigen können. Der Teamlead versucht dann in einem moderierten Meeting gemeinsam mit den Beteiligten das Problem zu lösen. Ist das nicht möglich, ziehen die Teamleads ihre Führungskräfte hinzu bzw. beschließen gemeinsam mit diesen, ob es eine interne oder externe Moderation geben soll.
Die Fluktuation in diesem Unternehmen ist recht niedrig, weil auch beim Recruiting darauf geachtet wird, dass Mitarbeitende ins Unternehmen kommen, die Kooperation als wichtiges Gut ansehen.
Unser Resümee
Remote Leadership erfordert Führungskräfte, die technisch auf dem neuesten Stand sind, und in der Lage sind, online genauso gut zu arbeiten wie offline. Außerdem erfordert es ein Mindset, in dem Kooperation ganz groß geschrieben wird, und in dem über Prinzipien und Spielregeln, die von allen gemeinsam getragen werden, das Miteinander geregelt wird. Als Führungskraft ist man dafür verantwortlich, den Rahmen zu geben, in dem die Teams bestmöglich ihre Jobs erledigen können.
Diese Case Study stellte Ihnen Maga. Birgit Fischer-Sitzwohl zu Verfügung.
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