„Schön sprechen!“, die österreichische ironische Aufforderung, eine vulgäre oder abwertende Ausdrucksweise zu unterlassen, erhält in diesen Zeiten eine ganz neue Bedeutung.
Heute sah und hörte ich im Fernsehen zum ersten Mal eine Korrespondentin, die ihren Beitrag mit Maske formulierte: perfekte Artikulation, richtige Lautstärke, so dass alles deutlich zu verstehen war. Ich war wirklich beeindruckt.
So anstrengend und für manche auch unangenehm es ist, sich mit Mund-Nasen-Schutz verständlich zu machen, kommt der nonverbalen Kommunikation in diesen Tagen wieder erhöhte Aufmerksamkeit zu.
In meinem letzten Kommunikationstraining, das ich noch vor dem Lock Down im Präsenzformat halten konnte, war ein Arbeitsauftrag für die Teilnehmer, in zwei Arbeitsgruppen zwei verschiedene Plakate zu zwei unterschiedlichen Anliegen und Zielgruppen zu gestalten. Der Auftrag hatte konkrete Kriterien, an denen das Endergebnis gemessen werden konnte. Ein Prozesskriterium war: „Führen Sie diesen Auftrag bitte stumm aus.“
Nach einem ersten Entsetzen in den Gesichtern der Teilnehmer rückten die beiden Teams in ihren Arbeitsräumen eng zusammen (ein Team um einen runden Tisch sitzend, das andere Team wie eine Eishockeymannschaft Schulter an Schulter mit ihrem „Coach“ direkt am Flipchart stehend).
Es war spürbar Energie im Raum, gepaart mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration im miteinander arbeiten. Das Endergebnis waren Plakate, die genau den vorgegebenen Kriterien entsprachen, ohne dass die Teams auch nur ein Wort miteinander gewechselt hatten.
Können wir nicht miteinander sprechen, kommt der nonverbalen Kommunikation in unserem Leben eine noch viel größere Bedeutung zu als sie ohnehin hat, wenn wir uns verständlich machen wollen.
Dafür wird gerne der „Mehrabian-Kreis“ genutzt, um das Verhältnis von gesprochener Sprache und nonverbalem Inhalt zu illustrieren: So entsteht die Wirkung unserer Mitteilung nur zu 7% aus Inhalt (was wir sagen), zu 38% über unsere Stimme und zu 55% über unsere Körpersprache.
Diese Verallgemeinerung bildet allerdings nicht das eigentliche Forschungsergebnis von Mehrabian ab. Dieser hatte sich Kommunikation nämlich angeschaut unter der Fragestellung: „Worauf achten Menschen, wenn für sie die Kommunikation des Gegenübers nicht kongruent ist?“ D. h. verbale und nonverbale Botschaft gehen nicht zusammen. In diesem Fall ist die Körpersprache des Gesprächspartners viel wichtiger als das, was er sagt.
Diese Zeit bietet uns eine gute Gelegenheit, wieder konzentrierter miteinander umzugehen: Ein Lachen unter dem Mund-Nasen-Schutz ist durchaus erkennbar, wir müssen nur hinschauen – und bei uns selbst darauf zu achten, dass wir in unserer eingeschränkten Kommunikation so „sauber“ und kongruent wie möglich bleiben.
Gerade die Einschränkung bietet eine gute „Trainingsmöglichkeit“ für unsere Kommunikationsfähigkeit, verbal wie nonverbal. Nutzen wir sie.
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