In letzter Zeit höre ich des Öfteren die zugegeben provokante Aussage, dass die junge Generation nicht mehr bereit ist „volle Leistung“ zu erbringen und die Führungskräfte sich schwertun, diese Mitarbeitenden zu motivieren, mehr zu arbeiten. Im Fokus steht dabei oft die Generation Z, bzw. die derzeit erstmals in den Arbeitsmarkt eintretende Generation Alpha.
Was bedeutet „volle Leistung“?
Vielfach erwarten Führungskräfte heute, dass die Mitarbeitenden bereit sind, Überstunden zu machen, mal „einzuspringen“, wenn es brennt, und auch Wochenenden einem etwaigen Projekterfolg zu opfern.
Zumeist haben diese Führungskräfte ihre Karriere selbst auch so gestartet und sind durch die Bereitschaft zur Mehrleistung aufgefallen. Mehrleistung hat sich zumeist bezahlt gemacht durch höheres Gehalt oder Aufstiegschancen im Unternehmen.
Viele Vertreter*innen der jüngeren Generation – mittlerweile ist es ja nicht mehr „nur“ die Generation Z, sondern auch schon die Nachfolgegeneration Alpha – haben dazu eine deutlich andere Sichtweise. Für sie bedeutet volle Leistung, in der vereinbarten Zeit volle Leistung zu erbringen, ohne gleichzeitig die Bereitschaft für Mehr- oder Überstunden zu haben.
Genau dieses Dilemma führt derzeit in vielen Unternehmen zu immer deutlicheren Spannungen zwischen den „Alten“, die volle Leistung fordern und den „Jungen“, die volle Leistung geben, allerdings mit unterschiedlichen Bezugsrahmen.
Ist das Problem lösbar?
Wir glauben ja, allerdings nicht durch immer ausgefeiltere Personalbindungmaßnahmen oder Gehaltspakete, die es den neuen Generationen schmackhaft machen sollen, mehr zu arbeiten als sie laut ihrem Arbeitsvertrag vereinbart haben.
Zumeist funktioniert es auch nicht, mit Aufstiegschancen zu winken, da diese oft mit „All-in“-Verträgen verbunden sind, wo wieder die Erwartung da ist, ein gewisses Kontingent an Überstunden zu leisten.
Führungskraft zu sein, ist heute oft nicht mehr attraktiv, weil diese Rolle in Unternehmen oft die unangenehme Konsequenz mit sich bringt, jederzeit erreichbar sein zu müssen.
Wir sehen zwei Hebel, um aus dem Dilemma herauszukommen und als Unternehmen weiter erfolgreich zu sein:
Hebel 1 – Die unterschiedlichen Bezugsrahmen kennen und die eigene Haltung zu reflektieren
Die junge Generation ist per se nicht leistungsunwillig. Gleichzeitig misst sie dem Leben außerhalb des Unternehmens ebenso große Bedeutung bei und benötigt dafür Zeit und Aufmerksamkeit.
Das entspricht einem anderen Lebensentwurf als ihn viele Führungskräfte und Schlüsselarbeitskräfte jenseits der Vierzig heute leben. Schlecht oder falsch ist das nicht, es steckt einfach eine andere Haltung zur Arbeitswelt dahinter.
Hebel 2 – Organisationsentwicklung
Viele Organisationen leben heute gut damit, vor allem in schwierigen Situationen auf einen harten Kern an Schlüsselpersonen zurückgreifen zu können. Diese brennen für das Unternehmen, lösen jedes Problem und bringen alles so auf die Straße, dass die Kund*innen zufrieden sind.
Die eigenen Interessen werden dafür oft lange Zeit zurückgestellt, das Leben außerhalb des Unternehmens ist damit nur noch rudimentär vorhanden. Das Gehalt stimmt zumeist, damit kann man in der Freizeit, die bleibt, diese auch richtig „auskosten“ und sich so wieder Energie für den nächsten Spurt holen.
Wenn sich eine Organisation zu sehr auf diese Spitzenleister*innen verlässt, wird sie mittelfristig das Problem bekommen, dass die nachkommenden Generationen „anders“ funktionieren und sich in auf Wettkampf und „Sprints“ ausgelegten Unternehmen nicht wohl fühlen.
Nachdem aber der Kampf um Talente immer stärker von den Talenten und nicht mehr von den Unternehmen entschieden wird – anders gesprochen, die Talente können sich heute die Unternehmen oft aussuchen – wird es für Organisationen kritisch, die an dem „alten“ und für viele Jahre erfolgreichen Rezept festhalten.
Die junge Generation fordert Arbeitswelten mit mehr Teamarbeit statt Einzelkämpfer*innen, mit gemeinschaftlichen Problemlösungsprozessen, wo alle ihre Kompetenzen einbringen, anstatt Wissen an einer Stelle zu kultivieren, mit flachen Hierarchien, verteilter Führung etc.
Hier besteht noch viel Entwicklungsbedarf, um die Organisationen resilient zu machen, unabhängig von einzelnen Schlüsselressourcen, mit klugen Systemen ausgestattet, die verteilte Führung wirklich lebbar machen.
Fazit
Im Moment suchen fast alle Unternehmen nach Mitarbeitenden, die verschiedenen Plattformen sind voll mit Stellenanzeigen. Die Gruppe, die derzeit neu in den Arbeitsmarkt eintritt, ist der Generation Z zuzurechnen und deutlich kleiner als die Gruppe, die zur Pensionierung ansteht.
Die Generation Z ist die erste Generation, die als digital Natives bezeichnet wird und deutlich anders tickt als vorangegangen Generationen.
Eine offene Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen beider Seiten, einerseits und gleichzeitig eine offensive Organisationsentwicklung, die Organisationen resilienter aufstellt, werden in den nächsten Jahren über den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheiden. Machen Sie sich bereit dafür!
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