Herzliche Gratulation – eben haben Sie es wieder getan. Mit dem Öffnen dieses Artikels haben Sie eine Entscheidung getroffen. Eine von durchschnittlich 20.000 Entscheidungen, die Sie jeden Tag treffen.
Die meisten davon wohl in Sekundenbruchteilen und unbewusst. Manche vielleicht nach tagelangem Abwägen von Für und Wider. Andere wiederum intuitiv aus dem Bauch und ganz ohne langwierige Faktenanalyse.
Was wissen wir eigentlich über dieses spannende Phänomen der Entscheidungsfindung?
In einem sind sich nahezu alle Forscher*innen, die sich mit der Entscheidungsforschung beschäftigen, einig: Entscheidungsprozesse laufen weit weniger rational ab als wir uns das vielleicht wünschen würden.
Unterstützt durch neue Erkenntnisse aus der Hirnforschung, die gerade in den letzten 10 Jahren bahnbrechende Einsichten lieferte, wissen wir, dass Emotionen und Gefühle gewaltigen Einfluss darauf haben, wie wir entscheiden.
Dass es sogar noch einen Schritt weitergeht, zeigt ein Experiment, das von Professor John-Dylan Haynes am Bernstein Center for Computational Neuroscience in Berlin durchgeführt wurde: Probanden wurden aufgefordert, sich bewusst zu entscheiden, einen Knopf links oder rechts zu drücken.
Die schier unglaubliche Erkenntnis: Mittels Hirnstrommessung konnten die Forscher schon bis zu 7 Sekunden vor der bewussten Entscheidung eine Aktivität im Gehirn messen, über die sie Rückschlüsse darauf ziehen konnten, welche Taste die Person drücken wird. Diese Ergebnisse unterstützen andere Studien, die ebenfalls zu dem Schluss kommen, dass unsere Entscheidungen stark vom Unterbewusstsein beeinflusst werden.
Noch weiter geht Wolf Singer, einer der bedeutendsten Hirnforscher Deutschlands. Seine Studien zeigen, dass es auf neuronaler Ebene keine Indizien für freie Willensentscheidungen gibt. Vielmehr scheint das Gehirn ein selbstorganisiertes System zu sein, von dem Entscheidungen nach einem vorgegebenen, hochkomplexen, individuellen Regelwerk getroffen werden.
Auch wenn es bis heute keine finale Beantwortung der Frage gibt, wie Entscheidungsprozesse im Gehirn nun tatsächlich im Detail funktionieren, lässt sich doch ableiten, wie es gelingen kann, bessere Entscheidungen zu treffen. Wir haben die besten 5 Tipps und Methoden dazu für Sie zusammengestellt.
- Emotional in den Zielzustand hineinversetzen
Bei dieser Methode geht es darum, sich vorzustellen, die Entscheidung bereits getroffen zu haben und sich emotional in den Zustand danach zu versetzen. Dies wird dann für alle zur Auswahl stehenden Entscheidungsmöglichkeiten wiederholt. Ich möchte das anhand eines Beispiels verdeutlichen:
Nehmen wir einmal an, Sie stehen vor der Entscheidung, Ihre Stelle zu wechseln oder im aktuellen Job zu bleiben. Natürlich wird es da einige klare Entscheidungskriterien geben: Gehalt, Entwicklungsmöglichkeit, Arbeitsklima, Jobsicherheit, etc.
Trotzdem können gerade solche Entscheidungen, die großen Einfluss auf das zukünftige Leben haben, besonders schwerfallen. Versuchen Sie also, sich so gut wie möglich einmal in die eine und dann in die andere Situation hineinzuversetzen. Wichtig dabei ist, sich wirklich vorzustellen, die Entscheidung getroffen zu haben und sich genügend Zeit zu nehmen. Folgende Fragen können dabei helfen:
- Nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, wie fühle ich mich jetzt?
- Spüren Sie in sich hinein, was sagt Ihnen Ihr Körper?
- Gehen Sie auf eine innere Reise durch Ihren Körper. Wo spüren Sie Unterschiede?
- Denken Sie an die Reaktion Ihrer Familie / Ihrer engsten Freunde auf die Entscheidung. Wie fühlt sich diese Reaktion an?
Diese Übung können Sie mit unterschiedlichen Zeithorizonten wiederholen, also z. B.: Wie fühlt sich die Situation 1 Monat, 1 Jahr oder 5 Jahre nach der Entscheidung an?
- Hinterfragen Sie Emotionen, die Ihre Entscheidung beeinflussen
Auch wenn Sie keine Entscheidungen ohne Emotionen treffen können, haben Sie doch die Möglichkeit, diese zu reflektieren und zu hinterfragen. Fragen Sie sich, was hinter den Emotionen steckt und welche Erwartungen oder Befürchtungen damit verbunden sind. Besonders hilfreich kann es sein, einen neutralen Außenstehenden (z. B. einen Coach) einzubeziehen. Dabei geht es weniger darum, um Rat zu fragen („Wie würdest Du entscheiden?“), sondern diese Person als Reflexionsfläche für eigenen Gedanken und Emotionen zu nutzen. Schon allein das Aussprechen der eigenen Gedanken und Beschreiben der eigenen Gefühlswelt wird oft als sehr hilfreich im Sinne der Entscheidungsfindung erlebt.
- Perspektive wechseln
Betrachten Sie die zu entscheidende Situation aus einer anderen Perspektive. Wie sieht die Entscheidung aus Sicht Ihrer Kolleg*innen, Ihres/Ihrer Chef*in oder Mitarbeiter*innen aus? Wie bewerten Sie die verschiedenen Entscheidungskriterien aus deren Perspektive? Ergeben sich durch die neuen Sichtweisen gar neue Argumente oder Entscheidungskriterien, an die Sie bisher gar nicht dachten?
- Darüber schlafen
Nicht jede Entscheidung muss sofort getroffen werden – schlafen Sie mal darüber. Schlaf ist für unser Gehirn von großer Bedeutung. Wahrgenommenes und Erlebtes wird unterbewusst verarbeitet und neu sortiert. Zusammenhänge werden hergestellt und oftmals entstehen die besten Ideen über Nacht. Dabei geht es nicht darum, unangenehme Entscheidungen aufzuschieben, sondern dem Körper und insbesondere dem Unterbewusstsein Zeit für den Entscheidungsprozess zu geben.
- Essen!
Kaum zu glauben, aber wissenschaftlich erwiesen: Hungrige Menschen treffen schlechtere Entscheidungen! Hunger steuert unterbewusst unsere Entscheidungen in Richtung kurzfristiger Erfolge: Ist der Blutzuckerspiegel niedrig, werden eher Entscheidungen getroffen, die auf kurzfristige Belohnung oder Befriedigung abzielen. Bei normalem Blutzuckerspiegel liegt der Fokus eher auf langfristig guten Entscheidungen. Für Analyse und Planung ist in diesem Fall ausreichend Energie vorhanden.
Diese Methoden ersetzen nicht die Analyse von Fakten und die Definition von Entscheidungskriterien, sondern ergänzen dies vielmehr. Um eine gute Entscheidung zu treffen, braucht es beides.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen viele gute Entscheidungen und viel Spaß bei der Umsetzung des einen oder anderen hier beschriebenen Tipps.
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