Haben die Führungskräfte von heute, Distance Leadership bereits in ihre DNA aufgenommen?

Zweifelsfrei hat sich spätestens seit Corona und den damit verbundenen Lockdowns unsere Arbeitswelt verändert. Der Begriff „Arbeitsort“ bekam eine völlig neue Dimension: Homeoffice und Online-Meetings wurden schlagartig – um nicht zu sagen von einem Tag auf den anderen – zur Selbstverständlichkeit erklärt. Die damalige Überforderung vieler Mitarbeiter*innen und Führungskräfte wurde mittlerweile durch die Selbstverständlichkeit für diese Zusammenarbeitsform abgelöst – oder doch nicht?

Distance Leadership, also das Führen von Mitarbeiter*innen aus der Ferne, weil sich diese physisch nicht am selben Ort befinden, erfordert ein anderes Vorgehen und Verhalten, um Aufgaben und Ziele erfolgreich zu erreichen.

Viele Unternehmen berichten von positiven Entwicklungen im Kontext dieses neuen „Zusammenarbeitssettings“ und haben Home-Office als fixen Bestandteil in ihren Organisationen implementiert. (Neben langen Anfahrtszeiten der Mitarbeiter*innen können mit einem Shared Office teuren Büroflächen eingespart werden. Im Rahmen des Employer Brandings stellt das Home-Office ein attraktives Benefit dar..…)

Dem gegenüber stehen andere Unternehmen, die bewusst in die „alte Arbeitswelt“ zurückwollen. „Wenn jemand nicht an seinem Arbeitsplatz im Büro ist, arbeitet er/sie nicht – aus den Augen, aus dem Sinn.“ Diese Haltung wird gerade im Hinblick auf die neuen Generationen, die in den Arbeitsmarkt eintreten – Stichwort Gen-Z – wenig hilfreich beim Recruiting neuer Talente sein.

Fakt ist, dass die Veränderung der Arbeitswelt längst in vollem Gange ist und es den passenden Umgang mit den sich ebenso verändernden Anforderungen an Führungskräfte erfordert.

Die grundlegende Anforderung hat sich allerdings nicht geändert: Ziele müssen erreicht werden!

Dass dies nun basierend auf hybriden Zusammenarbeitssettings ohne Qualitätseinbußen erfolgen soll, ist die tatsächliche Herausforderung, an der viele Unternehmen scheitern.

Es braucht nach wie vor einen professionellen Aufbau von Kompetenzen für Distance Leadership. Das Aussenden eines Termins für ein Online Meeting alleine reicht nicht aus, um erfolgreich zu führen.

Vielmehr geht es um die Befähigung der Mitarbeiter*innen, im virtuellen Raum interagieren zu können. Es geht nicht um Macht und Kontrolle, das Verteilen von Aufgaben und deren Mikromanagement, welches sicherstellen soll, dass im Home-Office „wirklich“ gearbeitet wird. Klare Zielvereinbarungen, intensive Kommunikation (virtuell und/oder im Büro), sowie Selbstorganisation sind die Basis dafür.

Die Voraussetzungen, die Führungskräfte für diese Veränderungen mitbringen sollten, lassen sich zum einen in der eigenen Haltung verorten und zum anderen in der Schaffung der notwendigen Rahmenbedingungen. Werden die neuen Gegebenheiten für sich selbst und auch in der Form der Zusammenarbeit angenommen, so kann die Führungskraft auch „führen“. Die Förderung von Selbstständigkeit gepaart mit dem entsprechenden Vertrauen stellen eine gute Ausgangsbasis dar. Auf der anderen Seite liegt es an den Führungskräften, ein entsprechendes „Organisationsdesign“ zu schaffen – in Kooperation mit den Mitarbeiter*innen – um auf struktureller und prozessualer Ebene die erforderlichen Anpassungen anschlussfähig zu machen. Die Reflexion des eigenen Mindsets sowie die Auseinandersetzung mit dem persönlichen Skill Set sind ebenso wie die Beherrschung eines Tool-Sets relevant.

Für Mitarbeiter*innen stehen klar kommunizierte Ziele an erster Stelle. Dies mag vielleicht selbstverständlich klingen, ist aber im Kontext von Distance Leadership essenziell. Darüber hinaus ist die Klarheit über Anweisungen, die durch die Führungskraft kommen, unerlässlich. Das zuvor angesprochene Mikromanagement stünde im Widerspruch zum gewünschten eigenverantwortlichen Arbeiten. Dies darf aber nicht mit der Möglichkeit zum fachlichen Austausch mit Führungskräften und Kolleg*innen verwechselt werden, da Feedback das entscheidende Instrument darstellt und Gesprächsmöglichkeiten gewährleistet.

Ein wesentliches Element, das als absolut unerlässlich angesehen werden kann, ist der versierte Umgang mit der erforderlichen Remote Technik. Die Handhabung von Kamera, Mikrofon, Headset und Co sollten keine Herausforderung mehr darstellen. Ein gemeinsames Verständnis über deren konkrete Nutzung erfordert allerdings entsprechende Interaktionen und Vereinbarungen zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen: zB. wird die Kamera immer eingeschaltet? Wer moderiert? Redezeitbegrenzungen, etc.

Darüber hinaus: Welche Regeln zu Erreichbarkeit im Home-Office sind vereinbart? Welche Schnittstellen müssen definiert und gemeinsam erarbeitet werden? Gibt es eine klar definierte Meetingstruktur?

Ein weiteres Kernelement, um aus der Ferne führen und vor allem aber zusammenarbeiten zu können, ist die Verwendung und Implementierung eines Kollaborationstools, das die Anforderungen der Organisation abdeckt. Neben den Anwendungen von Microsoft bietet auch Atlassian Formate an, die sowohl im agilen Projektmanagement, oder als Ticketsystem, als Whiteboard etc. genutzt werden können.

Zentral ist die Frage: Wie stelle ich nachhaltig sicher, dass alle Mitarbeiter*innen – egal ob virtuell oder physisch bei einem Meeting involviert – über die entsprechenden Informationen und weiteren Schritte informiert sind.

Neben der „inhaltlichen“ Meeting Komponente liegt es auch an den Führungskräften, virtuellen/hybriden Austausche zu unterstützen, um Themen, die nicht ausschließlich auf die Arbeit fokussieren, Raum zu geben und so Vernetzung zu ermöglichen.

Abschließend kann festgehalten werden, dass die Veränderungen, die die Kompetenzen des Distance Leaderships bei Führungskräften fordern, nach wie vor nicht als „erledigt“ abgehakt werden können. Um mit den Digital Natives mithalten zu können, braucht es auf der einen Seite hohe Bereitschaft der Führungskraft, sich auf die virtuelle Welt einzulassen und auf der anderen Seite das Bewusstsein, dass Führen per se nicht digitalen Tools überlassen werden kann, sondern durch die Führungskraft von heute sowohl präsent, hybrid und remote erfolgen muss.

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