Das Scheitern der jüngsten Koalitionsverhandlungen in Österreich ist mehr als nur ein politischer Eklat – es ist ein Paradebeispiel dafür, dass komplexe Verhandlungssituationen nicht mit einer Kompromiss-Strategie gelöst werden können. Was lief falsch? Und welche Lehren lassen sich daraus ziehen?

Mandat oder Marionette?

Zum Start der Koalitionsverhandlungen betonten alle drei Akteure wiederholt, dass sie miteinander verhandeln, weil sie es wollten – um eine Koalition in der Mitte zum Wohle Österreichs zu schmieden.

Aus verhandlungstaktischer Sicht stellt sich die Frage: Welches Mandat hatten die drei Akteure? Wenn man die Interviews liest, die nach dem Scheitern gegeben wurden, fällt auf, dass die Schuldzuweisungen oft darauf hinauslaufen, dass die andere Seite scheinbar nicht „wollte“ oder nicht „durfte“, oder sich ein „Flügel“ der Partei durchgesetzt hat, der das angestrebte Ziel nicht teilt. Das spricht eher dafür, dass die Verhandlungsführer mit einem Mandat ausgestattet waren, dass keinen ausreichenden Entscheidungspielraum bot und im Hintergrund die eigentlichen Fäden gezogen wurden.

Vernunft – eine komplett unterschätzte Tugend

Alle drei Akteure haben ihre eigenen Positionen deutlich gemacht, vor dem Start der Verhandlungen. Für den unbeteiligten Beobachter war klar: Das geht nicht so einfach zusammen. Das gemeinsame Interesse, eine Koalition zu bilden, die Österreich langfristig erfolgreich macht, den Standort wettbewerbsfähig hält und die Kaufkraft der Menschen erhält, wurde zwar gebetsmühlenartig gepredigt, aber sobald es konkret wurde, waren Positionen am Tisch: Steuern erhöhen versus Sparen, Reichensteuer versus Kürzen bei Sozialleistungen.

War den handelnden Personen der Ernst der Lage klar? Was ist das große Ziel über die nächste Legislaturperiode hinaus? Welche Beiträge sind nötig und vertretbar? Vernunft war in der Verhandlung scheinbar weniger im Spiel, eher Polemik und Klientelpolitik.

Der Verhandlungsstil: Positionell und auf Kompromiss statt interessenbasiert

Bei komplexen Verhandlungen wie einer Koalitionsbildung mit drei Parteien führt ein positioneller Verhandlungsstil schnell in die Sackgasse. Eine derart komplexe Verhandlung kann nicht erfolgreich positionell geführt werden – es sei denn, eine Seite ist deutlich mächtiger und kann diktieren. Doch das war dieses Mal nicht der Fall.

Daraus entsteht oft eine Dynamik, die an einen Türkischen Basar erinnert: Es wird abgetauscht und gefeilscht, jeder versucht sich und seiner Klientel einen Vorteil zu verschaffen. Kommen dann noch Machtspielchen hinzu, die den Prozess bremsen, oder emotionales Verhalten der Verhandler*innen, erreicht man schnell den Punkt, wo es nicht mehr weitergeht.

Auch die Arbeit mit Optionen will gelernt sein

Die Arbeit mit Optionen ist ein zentraler Bestandteil der Lösungsfindung im interessenbasierten Verhandeln. Doch sie erfordert klare Voraussetzungen: Die Interessenlagen müssen bekannt sein, und es muss klar sein, wo die Verhandlungsspielräume liegen. Ohne diese Grundlagen laufen Vorschläge ins Leere oder werden reflexartig abgelehnt, was Frustration auf allen Seiten schürt.

Das Ziel ist es, für beide Seiten greifbare Mehrwerte zu schaffen, die eine Einschätzung der Machbarkeit und des Nutzens ermöglichen. So wird die Arbeit mit Optionen zu einem echten Werkzeug für Fortschritt und nicht zu einem frustrierenden Hin und Her.

Die Lektionen des Scheiterns

Was bedeutet es, erfolgreich zu verhandeln? Es bedeutet, den eigenen Standpunkt klar zu vertreten, aber auch zuzuhören. Es bedeutet, sich auf das Ziel zu konzentrieren, statt auf kurzfristige taktische Gewinne. Und vor allem bedeutet es, Verantwortung zu übernehmen – für den Prozess und das Ergebnis.

Das Scheitern dieser Koalitionsverhandlungen war nicht unvermeidlich. Es war das Ergebnis von Entscheidungen, von Prioritäten und von Strategien, die bewusst oder unbewusst verfolgt wurden. Wer verhandelt, hat immer die Wahl: Will ich gewinnen, oder will ich eine Lösung finden, die für alle Parteien bestmöglich ist. Die Antwort auf diese Frage entscheidet über Erfolg oder Scheitern – in der Politik und darüber hinaus.

Eins ist klar: Gutes Verhandeln ist kein Zufall, sondern Handwerk. Die Methoden dafür gibt es. Sie anzuwenden, bleibt eine Frage von Haltung, Kompetenz und der Bereitschaft, wirklich Verantwortung zu übernehmen. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, wie gute Verhandlungsführung gelingt, freue ich mich über den Austausch hier auf LinkedIn.

Rate this post