Wir haben in letzter Zeit immer wieder von Kunden gehört, dass sie „agiler“ werden müssen, um am Markt bestehen zu können. Bevor wir in das Thema agiles Mindset im Detail einsteigen, möchte ich daher eine Einordnung vornehmen, in welchen Situationen / Organisationskontexten Agilität wirklich sinnvoll ist. Agilität ist keine „all fits one“ – Lösung.
Die Stacey Matrix:
Mit Hilfe der Stacey Matrix lässt ich gut erkennen, für welche Situationen Agilität und damit auch agiles Mindset die richtige Antwort ist:
Auf der einen Achse finden wir die Ausforderung, also was zu tun ist – auf der anderen Achse findet sich das Wie, die Art der Durchführung. Daraus ergeben sich vier Ausgangslagen für die eigene Arbeit.
- Einfach
- Kompliziert
- Komplex
- Chaotisch
Quelle: Nach Bernd Österreich/Claudia Schröder, das kollegial geführte Unternehmen
Die vielfach beschriebene „VUKA-Welt“ liegt im Bereich von „KOMPLEX“. Genau in diesem Umfeld benötige ich Agilität, um erfolgreich zu sein.
Agile Methoden einführen oder „Agil sein“
Wenn Unternehmen agiler werden wollen, denken die verantwortlichen Führungskräfte oft zuerst daran, agile Methoden im Unternehmen einzuführen und hoffen zumeist, dass der Rest dann von selbst passiert. Das ist leider ein ziemlicher Irrglaube.
Agil sein oder ein agiles Mindset zu haben, bedeutet, nach den agilen Werten und Prinzipien zu agieren, und diese je nach Notwendigkeit anzuwenden. Egal ob das jetzt in Form eines agilen Frameworks wie zum Beispiel SCRUM ist oder in Form einer Praktik, regelmäßig mit Prozess- und Ergebnisreviews zu arbeiten.
Eine agile Methode einzuführen, heißt nur, nach bestimmten Regeln zu arbeiten, ohne dass der Sinn dahinter klar ist. Wenn eine Situation eintritt, die ein eigenständiges Handeln erforderlich macht, wird im besten Fall eine neue Regel erfunden, die das Problem löst. Wenn diese neue Regel aber nicht auf den agilen Prinzipien basiert, entsteht schnell ein Vorgehensmodell, das mit dem, was wir unter Agilität verstehen, nur sehr wenig zu tun hat.
Die Ursprünge von Agilität
Die Basis für agile Werte und Prinzipien geht auf das agile Manifest zurück, das im Jahr 2001 in Utah, USA von 17 Vordenkern zum Thema Agilität verfasst wurde. Damals stand die Softwareentwicklung im Fokus. Die Kundenanforderungen wurden immer komplexer, oft änderte sich die Anforderung im laufenden Projekt, auch die Schnelligkeit, in der Software verändert werden sollte, war mit dem traditionellen „Wasserfall-Modell“ kaum noch zu stemmen.
Diese Gruppe entwickelte daher 4 Leitsätze, die später als agile Werte bekannt wurden, und 12 agile Prinzipien, nach denen Software entwickelt werden soll. (Manifesto for Agile Software Development (agilemanifesto.org)
Die vier Leitsätze:
- Individuen und Interaktion sind wichtiger als Prozesse und Werkzeuge.
- Funktionierende Produkte sind wichtiger als umfassende Dokumentation.
- Zusammenarbeit mit dem Kunden ist wichtiger als Vertragsverhandlungen.
- Reagieren auf Veränderungen ist wichtiger als Befolgen eines Plans.
Betrachtet man diese vier Leitsätze etwas genauer, kann man sehen, dass diese auch außerhalb der Softwareentwicklung Gültigkeit haben. Ich würde diese Leitsätze aber nicht als klassische Werte betrachten.
Diese sind in den Folgejahren in der agilen Welt entstanden und kommen Großteiles als Arbeitsgrundlagen aus den bekannten agilen Frameworks wie zum Beispiel SCRUM.
Agile Werte:
Die wichtigsten agilen Werte, die auch im SCRUM-Framework wesentlich sind:
- Fokus: Das Team konzentriert sich auf wenige Dinge, die zu einem Zeitpunkt geliefert werden müssen, um schneller und früher Ergebnisse zu bringen.
- Offenheit: In der Zusammenarbeit erklären sich die Mitarbeitenden das Vorgehen und was diesem im Weg steht. Bedenken sollen angesprochen werden, um voneinander und miteinander zu lernen.
- Selbstverpflichtung: Die Teammitglieder stehen zu den Aufgaben, die sie unternommen haben und tun alles, um diese zu Ende zu bringen. Sie vertrauen sich gegenseitig und unterstützen sich, wenn nötig.
- Mut: zu agilem Arbeiten gehört es, Neues auszuprobieren und nicht Funktionierendes auch wieder zu verwerfen. Scheitern bedeutet gelernt zu haben, dass ein Weg nicht funktioniert.
- Respekt: Die Teammitglieder bringen sich Respekt entgegen. Jeder kann und soll sich einbringen. Das Team entscheidet, welchen Weg es geht. Vorschläge werden daran gemessen, ob sie funktionieren bzw. welche besser funktionieren.
Agile Prinzipien:
Agile Prinzipien machen agiles Arbeiten, auch ohne spezifische Methode, möglich.
Die zwölf Prinzipien des agilen Manifests:
- Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung
wertvoller Software zufriedenzustellen. - Heiße Anforderungsänderungen sind selbst spät in der Entwicklung willkommen. Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden.
- Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.
- Fachexpert*innen und Entwickler*innnen müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten.
- Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen.
- Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht.
- Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß.
- Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber*innen, Entwickler*innen und Benutzer*innen sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können.
- Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität.
- Einfachheit – die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren – ist essenziell.
- Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams.
- In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an.
Die folgende Prinzipien sind auch außerhalb der Softwareentwicklung relevant, um ein agiles Mindset zu entwickeln:
- Mit dem Kunden ist eine enge, kontinuierliche Zusammenarbeit und Abstimmung erforderlich.
- Durch kurze iterative Prozesse und zyklische Arbeit sind Änderungswünsche durch den Kunden erwünscht und werden als Wettbewerbsvorteil verstanden. Der Kunde bekommt regelmäßig funktionierende Elemente zum Testen.
- Das Projektteam sollte motiviert sein, täglich zusammenarbeiten, und die nötige Unterstützung bekommen, die es braucht. Der Fokus liegt auf dem Lernen.
- Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Auftraggeber, Projektteam und Kunden sollten ein gleichmäßiges Tempo halten können.
- Die Teams arbeiten selbstorganisiert. In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es die Effizienz und Effektivität steigern kann.
Agiles Mindset
„Ein agiles Mindset ist ein Set von Sichtweisen, das es uns ermöglicht, die Werte, Prinzipien und Praktiken der agilen Welt umzusetzen, mit den dabei notwendigerweise auftauchenden Unsicherheiten und Unschärfen produktiv umzugehen. Zugleich kann man damit der kontinuierlichen Anpassung an Dynamik und Komplexität gelassen und gesund begegnen. Denn es ist das agile Mindset, das uns dynamikrobust macht.“
Quelle: Projektmanagazin.de
Agiles Mindset kann man lernen
Durch ständiges Feedback, Reflexion und Vorleben der agilen Werte und Prinzipien können Teams ihr agiles Mindset sukzessive weiterentwickeln und ausbauen.
Sie möchten Ihre Teams dabei unterstützen, „wirklich“ agil zu werden? Sprechen Sie mit uns. Wir beraten Sie gerne.
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